Ausbildung
Attraktivität der Pflegeberufe nimmt weiter zu
Ein Wort geistert dieser Tage herum, das höchst unangenehme Assoziationen erweckt: Triage. Gemäss Wikipedia – beziehungsweise den Éditions Larousse – leitet sich das Wort vom französischen Verb «Trier» her, was sortieren, aussuchen, auslesen heisst. Triage – so weiter das Internet – bezeichnet ein nicht gesetzlich kodifiziertes oder methodisch spezifiziertes Verfahren zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung bei unzureichenden Ressourcen, zum Beispiel aufgrund einer unerwartet hohen Anzahl an Patienten. Oder etwas kürzer: Die Selektion von Patienten nach Heilungschancen.
«Selektion von Menschen» weckt bei mir Erinnerungen an eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit im Abendland: Vor 80 Jahren, während des Nationalsozialismus, haben Deutsche in abscheulichster Verachtung menschlichen Lebens und ideologischer Verblendung im Konzentrationslager sogenannte «Selektionen» vorgenommen, um noch arbeitsfähige, «lebenswerte» Menschen auszuwählen. Statt diese – wie die Mehrzahl der Millionen von Deportierten – direkt in die todbringenden Gaskammern zu schicken.
Es ist wohl auch auf diese gar nicht so lange zurückliegende schreckliche Begebenheit zurückzuführen, dass vielen Menschen hierzulande in wohl gemerkt in ganz anderem, pandemiebedingten Zusammenhang vor einer Triage graut. Wenn in unserem mit Spitzenmedizin gesegneten Land aufgrund fehlender Behandlungsplätze in den Intensivstationen entschieden werden sollte, wer noch behandelt werden kann – und wer nicht. Wer also eine medizinische Chance zum Überleben erhält – und wer allenfalls infolge fehlender Kapazitäten auf eine adäquate Therapie verzichten muss.
Das Szenario einer medizinischen Triage ist im zivilen Leben bis heute tabu gewesen, allenfalls als Ultima Ratio, letztmöglicher Weg. Eine Begebenheit von letzter Woche in Zürich zeigt aber, dass wir uns womöglich bereits auf diesem letztmöglichen Weg befinden, insbesondere wenn die Corona-Fallzahlen weiter drastisch ansteigen sollten: Rettungssanitäter, die einem Mann nach einer Herzkrise Erste Hilfe geleistet haben, wussten nicht, in welches Spital sie den Patienten fahren können. Ob der Mann in der Folge auch dann gestorben wäre, wenn er sofort einen Platz im Spital erhalten hätte, kann niemand mehr beantworten.
Bei allen Massnahmen und aktuellen Diskussionen müssen nebst der Medizin, die Politik und die Bevölkerung alles in ihrer Macht unternehmen, damit wenigstens die Hoffnung auf ein gutes, baldiges Ende der Corona-Pandemie zuletzt stirbt.
Roger Weill
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