Wohnungsnot
Strategie des Kantons Zug wirkt zu zögerlich
Die beiden bisherigen Ständeräte Peter Hegglin (Mitte) und Matthias Michel (FDP) wollen den Kanton Zug weiterhin in Bern vertreten. Sieben neu Kandidierende machen ihnen die beide Sitze streitig. Politologin Zora Föhn schätzt die Ausgangslage für die Zuger Woche ein.
Frau Föhn, als Einstieg eine allgemeine Frage: Wer hat als Politikerin oder Politiker eine
gute Chance, in den Ständerat
gewählt zu werden?
Die Ständeräte werden in fast allen Kantonen – ausser Jura und Neuenburg – nach dem Majorzverfahren gewählt. Bei der Majorzwahl spielt die Persönlichkeit der Kandidierenden eine grössere Rolle als bei der Proporzwahl. Die Kandidierenden müssen einen grossen Teil der Wählerstimmen auf sich vereinigen, um gewählt zu werden. Dabei ist es besonders hilfreich, wenn die Wählerinnen und Wähler die Kandidierenden bereits gut kennen, zum Beispiel, weil sie als Bisherige antreten oder weil sie schon im Nationalrat sind. Dies zeigt sich auch darin, dass das Durchschnittsalter im Ständerat höher ist als im Nationalrat. Die Wahl in den Ständerat ist oft die Krönung einer langen politischen Karriere. Entscheidend ist zudem, auch Stimmen aus den anderen Parteien zu gewinnen. Die Chancen dafür sind für Mitglieder von Mitteparteien oder gemässigte Kandidierende grösser. Entsprechend sind FDP und Die Mitte im Ständerat übervertreten.
Die beiden bisherigen Zuger Ständeräte, Peter Hegglin (Die Mitte) und Matthias Michel (FDP) treten zur Wiederwahl an. Man geht davon aus, dass sie auch die nächsten vier Jahre im Stöckli sitzen werden. Was bedeutet es für eine eidgenössische Wahl, wenn die Ausgangslage wenig Spannung verspricht?
Grundsätzlich ist die geringe Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen in der Schweiz ein grosses Thema. Wenn die Ausgangslage wenig spannend ist, kann sich dies zusätzlich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken. Nämlich dann, wenn die Wählerinnen und Wähler davon ausgehen, dass der Wahlausgang bereits feststeht und sie deshalb der Wahl fernbleiben. Im konkreten Fall dürfte dies ein geringeres Problem darstellen, da die Ständeratswahlen zeitgleich mit den Nationalratswahlen stattfinden. Da der Ausgang der Nationalratswahlen im Kanton Zug etwas offener ist als derjenige der Ständeratswahlen, kann sich dies positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken. Wer den Wahlzettel für den Nationalrat ausfüllt, wird dies mit grosser Wahrscheinlichkeit auch für den Ständerat tun.
Peter Hegglin sitzt seit 2015 im Ständerat und gilt als Finanzspezialist, Matthias Michel ist seit 2019 im Stöckli und Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats. Beide waren schon zusammen im Zuger Regierungsrat und geniessen im Volk einen guten Ruf. Trotzdem: Warum kann es gefährlich sein, sich zu fest auf den Bisherigen-Bonus zu verlassen?
In diesen beiden Fällen scheint die Wahl tatsächlich bereits vorentschieden zu sein. Beide sind etablierte und gut vernetzte Politiker, die sich in den letzten vier Jahren keine politischen Fehltritte geleistet haben. Zudem ist der Zuger Ständerat seit über 50 Jahren in den Händen von CVP (heute Die Mitte) und FDP. Und der so genannte Bisherigen-Bonus ist einer der wichtigsten Aspekte für die Wahlchancen der Kandidierenden. Aber natürlich kommt es immer wieder vor, dass einzelne National- und Ständeräte abgewählt werden, 2019 waren es in beiden Kammern insgesamt dreissig. Für die Ständeratswahlen im Kanton Zug ist dies dieses Jahr aber nicht zu erwarten.
Zusammen mit den beiden Bisherigen bewerben sich neun Kandidatinnen und Kandidaten für einen Sitz im Ständerat, mehr als im Nachbarkanton Luzern. Mit Adi Hadodo und René Zimmermann, beide von Aufrecht Zug, sowie Stefan Thöni von Parat treten Kanidierende zu Wahl an, welche die Coronapolitik verurteilten oder andere regierungskritische Positionen vertreten. Warum versuchen es auch Vertretende von wenig vernetzten Parteien vor allem bei Ständeratswahlen, ein politisches Amt zu ergattern?
Die Kandidatur für den Ständerat kann oft auch als Strategie verstanden werden, sich als Person, aber auch als Bewegung, Partei oder Anliegen sichtbarer zu machen. Im Kanton Zug kandidieren 99 Personen für den Nationalrat und nur 9 für den Ständerat. Wer für den Nationalrat kandidiert, geht in der Vielzahl der Kandidierenden eher unter. Wer hingegen für den Ständerat kandidiert, ist sich der Aufmerksamkeit der Medien sicher und erhält entsprechend mehr Publicity. Gerade für Kandidierende, die auch in den Nationalrat wollen, kann dies eine hilfreiche Strategie sein, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten, was wiederum bei der Wahl in den Nationalrat hilfreich sein kann.
Schauen wir uns die anderen neuen Kandidatinnen und Kandidaten an. Manuela Weichelt von der ALG ist seit 2019 Zuger Nationalrätin. Sie sass zuvor zusammen mit Hegglin und Michel in der Zuger Regierung, bringt also ebenfalls viel Politikerfahrung mit. Wie gross sind ihre Chancen für eine Überraschung, in einem Kanton, der in nationalen Wahlen traditionell bürgerlich wählt?
Die Chance ist relativ gering. Zumal die beiden bisherigen Ständeräte wieder antreten. Gleichzeitig geniesst Manuela Weichelt im Kanton Zug durch ihr Nationalratsmandat und vergangenes Regierungsratsmandat einen hohen Bekanntheitsgrad. Sie ist die einzige Kandidatin aus dem linken Lager, die im Kanton Zug für den Ständerat kandidiert und wird entsprechend linke Stimmen auf sich vereinen. Wenn die Mobilisierung der Linken im Kanton Zug gut gelingt, ist ein Achtungserfolg durchaus möglich.
Zug hat drei Nationalratssitze. Manuela Weichelt hat 2019, als die Grünen schweizweit zulegten, den bisherigen FDP-Sitz erobert. Diese will diesen jetzt zurückholen. Frau Weichelt könnte also am Ende mit leeren Händen dastehen. Wie weit bringt ihr eine Ständeratskandidatur möglicherweise zusätzliche Stimmen für die Wiederwahl in den Nationalrat?
Eine Ständeratskandidatur kann bei der Wahl in den Nationalrat durchaus helfen. Auch wenn man Frau Weichelt bereits kennt, ist sie dadurch in den Medien und in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler noch präsenter. Dies wiederum fördert die Mobilisierung der mit ihr sympathisierenden Wählerinnen und Wähler, damit diese tatsächlich für Manuela Weichelt an die Urne gehen.
Ebenfalls für den Ständerat kandidiert Kantonsrat Thomas Werner von der SVP. Er ist Präsident der Kantonalpartei. Wie viel bringt so eine Position im Kampf um ein nationales Amt?
Eine solche Position in der Kantonalpartei ist im Kampf um ein nationales Amt sicher hilfreich. Dadurch ist Thomas Werner im Kanton bekannt und gut vernetzt. Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass er sich für die Partei einsetzt und dass man ihm das Amt des Präsidenten der Kantonalpartei zutraut. Noch hilfreicher für die Wahl in den Ständerat sind aber frühere Nationalrats- oder Regierungsratsmandate.
Auch die 28-jährige Kim Weber von der GLP will in den Ständerat, hat aber wohl nur Aussenseiterchancen. Warum täte es einem politischen Gremium wie dem Ständerat gut, auch junge Menschen, die einen grossen Teil der Gesellschaft ausmachen, als Mitglieder zu haben?
Die Idee der politischen Räte ist, dass sie ein Spiegelbild der Bevölkerung darstellen. In der Realität ist dies jedoch bei weitem nicht der Fall. So sind junge Menschen, Frauen, Personen ohne Hochschulabschluss, Menschen mit Beeinträchtigungen und andere Minderheiten in den Räten zum Teil stark unterrepräsentiert. Noch gravierender als im Nationalrat ist die Situation im Ständerat. Das Durchschnittsalter im Ständerat lag nach den Wahlen 2019 bei 54 Jahren, die jüngsten Ständerätinnen sind derzeit 35 Jahre alt. Die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen ist im Ständerat derzeit also gar nicht vertreten. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern ältere Politikerinnen und Politiker auch die Präferenzen und Anliegen der jüngeren Generationen vertreten können. Zumal die politischen Weichen, die heute gestellt werden, das Leben der heute Jungen auch dann noch beeinflussen werden, wenn die älteren Politikerinnen und Politiker nicht mehr davon betroffen sind. Aus diesem Grund wird argumentiert, dass eine jüngere Vertretung im Ständerat relevant wäre, um neue Themen und die Sicht der Jungen in die politische Entscheidungsfindung einzubringen.
Ebenfalls als Massnahmenkritiker versteht Comedian Marco Rima seine Ständeratskandidatur. Er
ist eine bekannte Persönlichkeit, hat aber keine Partei oder eine Lobby im Rücken. Wie sinnvoll sind solche Kandidaturen einzustufen?
Eine Wahl in den Ständerat ist für einen Kandidaten ohne grosse Partei im Rücken praktisch aussichtslos. Sicher hilft es, dass Marco Rima in der Schweiz bereits als Person des öffentlichen Lebens bekannt ist. Gleichzeitig kennt man ihn als Komiker und nicht als Politiker. Ob das hilft, ihn als Politiker wahrzunehmen und zu wählen, ist eher fraglich.
Renato Cecchet
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