Wohnungsnot
Strategie des Kantons Zug wirkt zu zögerlich
Finanzdirektor Heinz Tännler wünscht, dass andere Kantone ihr Potenzial besser ausschöpfen, um die finanzielle Abhängigkeit vom NFA reduzieren zu können. Foto: UG
Im Pro-Kopf-Beitrag (3321 Franken) war der Kanton Zug beim Nationalen Finanzausgleich NFA schon Spitzenreiter. Jetzt wird Zug aber auch beim Gesamtbetrag zum Höchstzahlenden. Wir sprachen mit Regierungsrat und Finanzdirektor Heinz Tännler.
Herr Tännler, Zug zahlt im Jahr 2025 mit 431 Millionen Franken 48 Millionen mehr als 2024 in den NFA ein. Zug überholt Zürich und ist neu Spitzenreiter bei den Geberkantonen. Eine Ranglistenspitze, die Sie wohl nicht unbedingt angestrebt haben.
Nein, gesucht haben wir diese Position nicht. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass der Kanton Zug keine aktiven Abwerbebemühungen in anderen Kantonen unternimmt. Unternehmen und Privatpersonen kommen von sich aus nach Zug, beispielsweise weil sie sich in der links-grün regierten Stadt Zürich nicht mehr willkommen fühlen. Das ist ihr gutes Recht, das als Niederlassungsfreiheit durch die Bundesverfassung geschützt wird.
Eine Entlastung für die reichen Kantone ist laut ökonomischen Prognosen nicht zu erwarten. Einzig Zürich zahlt weniger als bisher ein. Welche Tendenz, welche Entwicklung erwarten Sie?
Es gibt Kantone, die ihre strukturellen Nachteile nicht einfach abschütteln können und weiterhin stark auf den Finanzausgleich angewiesen sind. Dann gibt es aber auch Kantone, die durchaus Potenzial hätten, sich weiterzuentwickeln und die finanzielle Abhängigkeit zu reduzieren oder gar aufzugeben. Das würde ich mir wünschen, ebenso, dass Zürich wieder zur Wirtschaftslokomotive wird wie früher und Sorge trägt zu seinen Leistungsträgern. Wir können in Zug nicht alle aufnehmen, Wohnraum und Gewerbeflächen sind jetzt schon zu teuer. Wie gesagt würde ich mir dies wünschen, in absehbarer Zeit ist es allerdings kaum zu erwarten.
Zentraler Teil der NFA ist der Ressourcenausgleich, der Milliarden vom Bund und von den «reichen» Kantonen zu den «armen» umleitet. Seit Einführung des NFA 2008 hat einzig Obwalden die Wandlung von einem starken Bezüger- zu einem dauerhaften Geberkanton geschafft. Warum gab es in diesen 16 Jahren nicht mehr Entwicklung in den Kantonen?
Das heutige System schafft leider keinerlei Anreize, wenigstens einen Teil der erhaltenen Gelder in strukturelle Verbesserungen zu investieren und die eigene Position zu stärken. So wird es grösstenteils einfach konsumiert. Das ist der wesentliche Nachteil des aktuellen Finanzausgleichs, hinter dem ich ansonsten im Interesse der freundeidgenössischen Solidarität stehe.
Neben den urbanen Wirtschaftszentren Zürich, Basel-Stadt und Genf gehören mit Zug, Schwyz, Nid- und Obwalden vier der sechs Innerschweizer Kantone zu den Gebern (2025 kommt neu Schaffhausen hinzu). Luzern ist in Sachen Finanzkraft am Aufholen. Worauf ist die positive Finanzentwicklung in der Innerschweizer Kantonen zurückzuführen?
In der Zentralschweiz wird traditionell die Eigenverantwortung hochgehalten. Auch überbordet die Erwartungshaltung an den Staat noch nicht. Die Zentralschweizer Nehmerkantone haben die Chancen durch den Finanzausgleich gepackt und sich nach der Decke gestreckt. Obwalden war dabei sehr erfolgreich. Aber auch Luzern, das aufgrund seiner Grösse nicht ganz so agil handeln kann wie Obwalden, erzielte grosse Fortschritte. Selbst Uri hat sich trotz seiner grossen strukturellen Nachteile gut entwickelt. Hätten sich mehr Kantone so entwickelt wie jene der Zentralschweiz, hätte man die Disparitäten von unten her reduzieren können, statt immer nur die finanzstarken Kantone einbremsen zu wollen.
Sie haben es bereits angesprochen: Nehmerkantone zeigen wenig Motivation, die «Hängematte» des Finanzausgleichs, in der sich ein Kanton gemütlich einrichten kann, zu verlassen. Die Angst, finanziell mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn man sich anstrengt, herrscht immer noch vor. Wie kann man diese Negativphilosophie beeinflussen?
Wollte man ein Anreizsystem zur Selbsthilfe schaffen, müsste man die gesetzlichen Grundlagen des NFA anpassen, was aber bisher politisch nicht gewollt war. Ein anderer Ansatz wäre, wenn Nehmerkantone nicht nur isoliert darauf schauen würden, ob eine Firmenansiedlung netto (viel) mehr Steuern bringt, als sie NFA-Zahlungen reduziert. Diese Unternehmung schafft Arbeitsplätze, generiert Nachfrage nach Leistungen ansässiger Gewerbebetriebe und stärkt generell die Wirtschaft und die Strukturen des jeweiligen Kantons. Mittel- bis langfristig wird der Kanton gestärkt und unabhängiger, wie dies bei Obwalden und Luzern der Fall ist.
Der Nationale Finanzausgleich wird von Bund und Kantonen gespeist. Eine Motion der Grünen verlangt, dass die finanzstarken Kantone wie Zug noch mehr zur Kasse gebeten werden, um den Bund zu entlasten. Wie denken Sie über diese Forderung?
Das ist der falsche Ansatz. Wie Finanzministerin Karin Keller-Sutter richtigerweise betonte, hat der Bund kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Das Bundesparlament sollte sich dringend eine stärkere Ausgabendisziplin auferlegen, statt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es die gesetzlich verankerte Schuldenbremse umgehen kann. Der Nationale Finanzausgleich ist in der Bundesverfassung verankert.
Gäbe es nach Ihrer Meinung eine andere Möglichkeit, die finanziellen Disparitäten zwischen den Kantonen auszugleichen oder hat sich der NFA bewährt?
Im Grundsatz ist der NFA ein gut austariertes System, das strukturschwache Kantone finanziell massiv stärkt. Einzelne Kantone erhalten meines Erachtens zu viel Geld und die Anreize, die eigene Situation zu verbessern, fehlen leider. Aber grundsätzlich ist an der freundeidgenössischen Solidarität festzuhalten. Kantone wie Uri und Jura sollen weiterhin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben angemessen unterstützt werden.
Renato Cecchet
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