Menzingen
Kirchenorgel spielt zu ihrem 20. Geburtstag selbst auf
Gesprochen wird am Sonntag in der Kirche nach wie vor, aber nicht unbedingt in Form einer Predigt. Mit «Soul on Sunday» bietet die reformierte Kirche Ägeri ein Format an, das sich an Personen richtet, die dem traditionellen Sonntagsgottesdienst fernbleiben.
Beim Wort Gottesdienst scheiden sich die Geister. Für die einen ist es nach wie ein Pflichttermin am Sonntagmorgen, traditionell, mit Kirchenmusik, Gebet und einer ausführlichen Predigt. Für die anderen ist der Kirchenbesuch ein Relikt vergangener Zeiten und nicht mehr zeitgemäss.
Die reformierte Kirche Ägeri spricht sogenannt kirchenferne Menschen mit einem alternativen Format an. Soul on Sunday richtet sich an alle, die ihre Suche nach Sinn und Gemeinsamkeit für einen Moment mit anderen teilen wollen. «Wir fördern auch mit diesem Anlass das Miteinander. Die Anwesenden sollen sich im Geschehen in der Kirche involviert fühlen und nicht nur als Besuchende vor Ort sein», erklärt Pfarrerin Helen Jäggi Kosic.
Soul on Sunday besteht aus thematisch geführten Diskussionen, Live-Musik und einem anschliessenden Apéro. «Die Welt steht vor vielen Aufgaben, die wir nur gemeinsam lösen können. Die Kirche ist ein Ort der Gemeinsamkeit, aber sie steht vor der Herausforderung, die Menschen mit dieser Botschaft wieder zu erreichen», meint Helen Jäggi Kosic. Es sei nicht so, dass die Menschen nicht mehr glauben. «Viele sind auch heute spirituell unterwegs.» Die Kirche müsse damit umgehen lernen, dass diese Menschen aus vielen Angeboten wählen, wo sie mitgehen wollen.
Soul on Sunday wurde von ihrem inzwischen verstorbenen Vorgänger, Pfarrer Jürg Rother vor 20 Jahren ins Leben gerufen. Es werden Themen angesprochen, die bewegen, unterschiedliche Meinungen und neue Sichtweisen werden diskutiert. Das Format sieht vor, dass drei Personen aus unterschiedlichen Generationen zusammen ein Thema diskutieren. Beim nächsten Soul on Sunday am Sonntag, 27. August, heisst es «Was fehlt?» Dabei wird über Qualitäten gesprochen, die für das Leben eines Individuums wesentlich sind, über Geborgenheit, Zufriedenheit und Dankbarkeit.
Der Hintergrund für dieses Thema bildet ein Zitat des Schweizer Heilpädagogen Paul Moor: «Nicht gegen den Fehler kämpfen, sondern für das Fehlende da sein.» Helen Jäggi Kosic fällt dabei für einmal nicht primär die Rolle der predigenden Pfarrerin zu, sondern die einer Moderatorin. «Anstatt dass ich elaboriert etwas vorbringe, reden die drei Personen miteinander. Ich versuche den Beteiligten jeweils zu vermitteln, dass die Kirche ihnen einen Raum aufmacht, der nach oben offen, aber in der Wirklichkeit verwurzelt ist.»
Das Publikum bei Soul on Sunday kann entspannt zuhören – oder eben mitdiskutieren. «Die Diskussion der drei Personen soll von den Besuchenden reflektiert werden. Dieser Prozess ist ergebnisoffen, breit und vielfältig. Die Kirche wird so zum Laboratorium.»
Die musikalische Darbietung bestreitet dieses Mal der Akkordeonist Srdjan Vukasinovic. Den Abschluss von Soul on Sunday bildet ein Apéro riche. Dieser sei nicht nur zum Essen und Trinken da, sagt Helen Jäggi Kosic. «Nicht alle Beteiligten wollen sich während der Diskussion in der Kirche zu Wort zu melden. Der Apéro danach bietet deshalb die unkomplizierte Gelegenheit für persönliche Gespräche oder auch eine Weiterführung der Diskussion.»
Die drei Teilnehmenden der Diskussion werden jeweils im Voraus gesucht. Am 27. August sind dies Damian Werwitzke, ein Leiter aus dem Konfprojekt, Lukas Näf, der Vater eines ehemaligen Konfirmanden und Schwester Martha Häusermann aus dem Ländli. Die Mitdiskutierenden finde sie im Alltag, sagt die Pfarrerin. «Nach dem Gottesdienst, in einer Sitzung, im Dorf halte ich die Augen offen und schaue, wer in Frage kommt. Es gibt in Ägeri viele Menschen, die in unseren Gottesdiensten mitreden können und wollen. Das ist ein Geschenk.»
Der Erfolg gebe dem Ansatz recht, ist Helen Jäggi Kosic überzeugt. In der Kirchgemeinde Ägeri bestehe eigentlich keinen Grund zum Klagen, auch die normalen Gottesdienste seien gut besucht. Bei Soul on Sunday würden sich aber aktive Gemeindemitglieder mit den eher seltenen Gästen mischen. Helen Jäggi Kosic freut sich deshalb auf den anstehenden Event: «Die Begegnungen sind immer spannend und überraschend. Beide Seiten öffnen sich für neue Perspektiven und gewinnen durch den Austausch. Das ist Kirche im besten Sinne.»
Renato Cecchet
Soul on Sunday. Sonntag, 27. August, 11 Uhr, Kirche Mittenägeri.
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