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Manuela Weichelt (mittleres Bild) von den Alternativen-die Grünen strebt ihre zweite Amtszeit als Nationalrätin an. Diesen Sitz für die FDP zurückholen möchten Arno Grütter oder Jill Nussbaumer. Fotos: zvg
Während zwei Zuger Sitze im Nationalrat fest vergeben scheinen, könnte es um das dritte Mandat eine Kampfwahl geben zwischen der bisherigen Nationalrätin Manuela Weichelt (ALG) und den Spitzenkandidierenden der FDP.
Am 22. Oktober wählt die Schweiz ein neues Parlament. Die grosse Kammer, der Nationalrat, besteht aus 200 Mitgliedern. Diese werden nach der Bevölkerungszahl (Gesamtzahl der Wohnbevölkerung) auf die 26 Kantone verteilt. Zürich als bevölkerungsreichster Kanton wird neu 36 Nationalrätinnen und -räte stellen.
Dem Kanton Zug stehen drei Nationalratssitze zu. Thomas Aeschi (SVP), Gerhard Pfister (Die Mitte) und Manuela Weichelt (Die Alternative-die Grünen ALG) vertreten aktuell den Kanton Zug in Bern. Der 60-jährige Parteipräsident Gerhard Pfister sitzt bereits seit 20 Jahren im Nationalrat, Thomas Aeschi (44) seit 12 Jahren. Ihre Wiederwahl gilt als sicher, alles andere wäre eine grosse Überraschung.
Nicht ganz so sicher sein kann sich Manuela Weichelt. Die 56-jährige frühere Regierungsrätin zog 2019 als erste Frau für den Kanton Zug in den Nationalrat ein. Sie erkämpfte sich den freigewordenen Sitz von der FDP, die diesen mit ihrer Spitzenkandidatin Karen Umbach nicht verteidigen konnte.
Jetzt, 2023, möchten die Liberalen die Retourkutsche fahren und den Sitz von Manuela Weichelt zurückgewinnen. Dem Freisinn in die Karten spielen könnte die Listenverbindung mit der SVP, die der FDP vermutlich von Vorteil sein wird. Manuela Weichelt sagt, sie habe im Nationalrat ein anderes Bild vom Kanton Zug gezeichnet, als man allgemein vor Auge habe. «Zug ist bekannt als Steuerparadies und Tummelplatz der Oligarchen. Dabei geht vergessen, dass Zug auch eine Seele hat. Ein grosser Teil der Bevölkerung vertritt ethische Werte. Hier wohnen Normalsterbliche, die es sich aber bald nicht mehr leisten können. Diese Zugerinnen und Zuger werden mich wiederwählen, weil sie möchten, dass diese Werte in Bern weiterhin vertreten sind.»
Bei der FDP gehen zwei Namen als Spitzenkandidatin und - kandidat ins Rennen um einen Sitz im Nationalrat: Kantonsrätin Jill Nussbaumer (30) und der Chamer Gemeinderat Arno Grüter (47).
Sie sei eine sehr engagierte Person, egal ob in der Politik, in der Nachbarschaftshilfe oder bei der Fasnacht, sagt Jill Nussbaumer. «Ich spreche nicht über Dinge, sondern setze diese in Projekte um, das ist meine Stärke.» Als Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen habe Sie eine nationale Initiative und ein Referendum lanciert. Auch in der kurzen Zeit, in dem sie im Kantonsparlament sitze, habe sie in einer Kommission mitgeholfen, den Gegenvorschlag zum Transparenzgesetz auszuarbeiten. Nussbaumer, die im Compliance Management arbeitet, macht sich stark für Zukunftsthemen. Künstliche Intelligenz, Kryptowährungen. «Nach der Neuausschreibung für E-Scooter wäre die Stadt Zug auch bereit für ein Veloverleihsystem.»
Arno Grüter ist der Finanzchef von Cham. Der Betriebsökonom und unabhängige Anlageberater sieht sich als Vertreter einer kommunalen Exekutive als geeigneter Nationalrat. «Mich dünkt, dass vielen Politikerinnen und Politikern in Bern die Bodenhaftung fehlt, ein Link zur Bevölkerung. Deshalb ist die Verbindung zwischen einem Gemeindeamt und einem nationalen Mandat ideal und kann auch umgekehrt Früchte tragen.» Grüter wünscht sich mehr strategisches Denken unter der Bundeshauskuppel. «Es wird von Session zu Session und nur an die eigenen Interessen gedacht.»
Während Jill Nussbaumer und Arno Grüter neu in der der nationalen Politik wären, blickt Manuela Weichelt auf vier Jahre im Nationalrat zurück. «Es ist mir gelungen, bei vielen Themen Brücken zu bauen und Allianzen zu finden.» Bei der Frage zur Transparenz bezüglich wirtschaftlich Berechtigten in Firmen zum Beispiel sei die Unterstützung von bürgerlicher Seite gross gewesen. «Gerhard Pfister hat den Vorstoss auch unterschrieben.»
In der Sommersession hat Manuela Weichelt einen Vorstoss zu einkommens- und vermögensabhängigen Krankenkassenprämien eingereicht. «Die Prämienverbilligung ist ein Auslaufmodell. Wir brauchen dafür kurzfristig mehr Mittel. Gleichzeitig muss die Umgestaltung für einkommensabhängige Prämien an die Hand genommen werden.» Neben Gerhard Pfister erhielt Weichelt in dieser Frage auch Unterstützung vom Berner Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP).
Letzte Woche hat sie einen Vorstoss im Zusammenhang mit Aufsicht und Kontrolle über die Sanktionen bei der Firma Eurochem (ZG) eingereicht. Sollte sie wiedergewählt werden, strebt die grüne Nationalrätin im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche eine Strafgesetzbuchänderung an. Der Angriff auf die sexuelle Freiheit von Abhängigen dürfe von Geistlichen nicht mehr geschützt, sondern müsse zwingend gemeldet werden.
FDP-Kandidat Arno Grütter sieht das Energieproblem als wichtiges Thema auf Bundesebene. «Es fehlt mir an gesundem Menschenverstand. Wir schalten Kernkraftwerke ab, bevor wir über neue Energiequellen verfügen.» Bei der AHV müssten dringend Lösungen gefunden werden. «Immer mehr Leute essen vom Kuchen. Wir müssen die Kuchenstücke kleiner oder den Kuchen grösser machen. Oder beides» Der Chamer Gemeinderat wünscht sich auch, dass Rechts und Links mehr und konstruktiver diskutieren.
Parteikollegin Jill Nussbaumer kann sich vorstellen, im Nationalrat in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit Einsitz zu nehmen oder auch in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben. «Das ist meine Kompetenz. Ich bin dagegen, dass Gebühren und Abgaben ausufern.»
Dass sie mit 30 Jahren eine junge Kandidatin ist, sieht Jill Nussbaumer als Ansporn. «Alter ist keine Qualifikation oder Disqualifikation. Wir beschäftigen uns mit neuen Technologien, zum Beispiel Datenschutz oder Uber-Taxis. Als Junge bin ich da näher dran und möchte mich einbringen.» Als Zuger Schwerpunktthemen im Nationalrat nennt Nussbaumer die Wohnungsnot. Sie verlangt nicht Subventionen, sondern vereinfachte Baubewilligungen. In der Familien- und Sozialpolitik macht sie sich für die Abschaffung der Ehestrafe stark und für einen grosszügigen Eigen- und Fremdbetreuungsabzug. Sie wünscht sich weniger Bundesdiktat, «damit Leuchtturmprojekte in Zug nicht behindert werden.»
«Die Stärkung von Kantons- und Gemeindeautonomie muss vom Bund akzeptiert werden», verlangt auch Arno Grüter. Die Migrations- und Asylfrage sieht er bei den Zuger Problemen weit vorne. «Es wird eng im Kanton, wir müssen selektiver denken.» Ausserdem müsse Zug bei der nationalen Mobilität mitreden und mehr Interregio-Halte haben.
Für die amtierende Nationalrätin Manuela Weichelt sind Steuerdumping und die dadurch zu teuren Wohnungen im Kanton Zug ein Hauptthema. «Es braucht ein Vorkaufsrecht für Gemeinden beim Landkauf und fairere Kaufbedingungen für Wohnbaugenossenschaften.» Ausserdem liegt ihr die Umsetzung der Pflegeinitiative am Herzen. «Bund wie Kanton bummeln in dieser Frage beide.»
Manuela Weichelt stellt sich nicht nur zur Wiederwahl in den Nationalrat, sondern erstmals auch für die Ausmarchung um einen Ständeratssitz. «Seit 1848 wurde Zug im Stöckli immer von zwei bürgerlichen Männern vertreten. Es ist Zeit für eine Frau und eine ökologische Stimme.» Gut möglich, dass ihr die Ständeratskandidatur zusätzliche Stimmen für die Nationalratswahl bringt.
Manuela Weichelt glaubt, dass die Listenverbindung der ALG mit SP, EVP, CSP und Gewerkschaftsbund stark genug ist, um gegen die Listenverbindung von FDP und SVP zu bestehen. Für die SVP treten unter anderem Kantonalpräsident Thomas Werner und Gregor R. Bruhin, Präsident SVP Stadt Zug, an.
Was wenn durch die Listenverbindung ein zweites SVP-Mitglied das Rennen im Nationalrat macht statt die FDP? «Die Wählerstärke im Kanton spricht für uns», sagt Jill Nussbaumer. Arno Grüter gibt sich pragmatisch: «Die übergeordnete Idee der Listenverbindung ist, dass Zug im Nationalrat eine bürgerliche Vertretung hat.»
Renato Cecchet
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